So, jetzt ist es soweit: ich habe meine Schreibtisch in der Schule aufgeräumt, jede Menge Klassenübergabegespräche geführt und die letzten Schulaufgaben soweit möglich an die Respizienz gegeben. Warum? Weil ich nun etwas mehr als zwei Monate in Elternzeit und damit raus aus der Schule bin. Mit Blick auf die schon wieder steigenden Fallzahlen, die damit verbundenen erhöhten Fehlzeiten von allen Beteiligten und die nervige Diskussion um Abschaffung der Maskenpflicht im Klassenraum gefühlt gerade ein guter Zeitpunkt. Aber darum soll es nicht gehen, sondern ich möchte vielmehr deutlich machen, dass die Mangelverwaltung im Bildungsbereich gerade hier bei der Elternzeit deutlich zu Tage tritt.
Zunächst mal kommt eine Elternzeit ja im Gegensatz zu einem krankheitsbedingten Ausfall nicht überraschend, sondern ist dem Kultuministerium und der Schulleitung schon mit einigem zeitlichen Vorlauf (mind. 7 Wochen, in der Regel eher deutlich mehr) bekannt. Idealerweise müsste dann einfach das Ministerium eine Lehrkraft aus der mobilen Reserve mit der passenden Fächerkombination für die Zeit an die Schule schicken, die die Klassen und den Unterricht komplett übernimmt (was gerade bei einer vollen Stelle ja eigentlich genau passt). Dies würde zur minimalst möglichen Belastung für die sonstige Schulgemeinschaft führen. Aber leider passiert das nicht. Warum nicht? Ich habe keine Ahnung, das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich und Einblick und Entscheidungshoheit hat hier am Ende wohl eh nur das Kultusministerium. Aber ich gehe mal stark davon aus, dass der Pool der mobilen Reserve für sowas einfach viel zu leer ist, gerade auch mit Blick auf Physik. Was passiert stattdesssen (weil externe Vertretungskräfte natürlich auch praktisch nicht zu bekommen sind in Physik): Es muss im eigenen Kollegium händeringend nach Möglichkeiten gesucht werden, die ausfallenden Lehrerstunden irgendwie zumindest zum großen Teil zu kompensieren. Es müssen also Kollegen zusätzlich zu ihren normalen Stunden und Klassen weitere Stunden und Klassen übernehmen. Gerade in einem kleinen Kollegium oder in einer kleinen Fachschaft ist das wirklich eine Herausforderung und sicher eine größere Belastung. Damit ist dann auch ein komplett neuer Stundenplan für alle von Nöten, damit das überhaupt irgendwie funktioniert. Man verursacht so also gefühlt die maximal mögliche Zusatzbelastung für das eigene Kollegium, was ja durch Corona und nun auch evtl. Willkommensklassen usw. eh schon am Limit oder weit darüber hinaus ist, sodass z.B. Schulentwicklungsaufgaben rein aus Belastungsgründen nur noch nebenher auf Sparflamme laufen können. Da hilft es auch kaum, wenn mal als derjenige, der in Elternzeit geht, alles so gut wie möglich vorbereitet und z.B. dafür sorgt, dass zumindest keine Schulaufgaben in dem Zeitraum geschrieben werden müssen usw. Irgendwie könnte man ja fast ein schlechtes Gewissen bekommen in diesem System überhaupt in Elternzeit zu gehen, auch wenn das hier natürlich völlig unangebracht ist.
Bei all dieser „Zusatzarbeit“, die durch meine Elternzeit für das Kollegium entsteht, kann ich aber erfreulicherweise sagen, dass mir es gefühlt an meiner Schule wirklich niemand übel nimmt, dass ich in Elternzeit gehe, sondern ich von vielen Seiten höre, dass ich die Zeit mit meinem Kind genießen soll. Dies ist aber vermutlich auch nicht in jedem Kollegium und an jeder Schule so, was dann noch eine zusätzliche Belastung für alle darstellen würde.
Kurz: Obwohl die Elternzeit von Lehrkräften ja grundsätzlich mit einigem Vorlauf von Seiten der übergeordneten Personalverwaltung gut einzuplanen wäre, passiert da aus meiner Sicht viel zu wenig. Dies mach deutlich, dass personalmäßig einfach schon heute und auch am Gymnasium eine Mangelverwaltung herrscht, was zu einer zusätzlichen Belastung aller anderen Lehrkräfte führt. Auch macht es deutlich, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schule nicht immer ganz so leicht ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint.
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